Das Fahren mit Zugtieren 
 

Bevor der Traktor in die burgenländischen Dörfer kam, wurden die Transportarbeiten in der Landwirtschaft ausschließlich mit Zugtieren durchgeführt. Zum Fuhrwerk zählten „Zug“ (Rinder oder Pferde) und „Zeug“ (Wagen). Große Höfe mit überdurchschnittlich mehr Wirtschaftsfläche hatten Pferdefuhrwerke, sonst bei normaler Größe waren Rinder als Zugtiere eingesetzt. Rinder waren gutmütig (fromm), ausdauernd, gelehrig und gaben dazu noch Milch. Bedenkt man, dass sie in Stallungen am Hals angekettet gehalten wurden, so war es ein angenehmer Ausgang für sie, wenn sie unter das Joch mussten. Das kleine Fahren, Klee, Kürbisse, Burgunder, Kartoffel und Rüben holen, sowie Heuladungen und Getreidefuhren heimbringen strengte nicht weiter an. Lediglich die Insektenplage im Sommer war lästig. Schwere Arbeiten waren das Mistführen, Eggen und Pflügen. Die Dauerbelastungen führten dann zu einem spürbaren Rückgang der Milchleistung.
Die täglich mehrfache Hinwendung der Familie zu den Kühen, eben das Füttern, Pflegen, Melken und Fahren, stellte eine enge Beziehung zu den Tieren her, sodass es zu sehr traurigen Momenten und viel Tränenfluss kam, wenn ein Tier aus Alters- oder Gesundheitsgründen vom Hof musste. Alle Kühe hatten einen Namen. Meist hießen sie Lisl, Moni, Linda, Lotte, Leni, Martha, Lucy, Scheckl, Hirschl, Liska. Jede einzelne Kuh war der Familie in ihrem Wesen bestens bekannt.

Auch die Kinder der Bauern konnten ab 12 Jahren mit den schweren Rindern umgehen, sie angeschirren, das hieß das Joch umhängen, das Geschirr anlegen, sie aus dem Stall holen und vor den Wagen spannen. „Einspannen“ hieß, das Joch mit der Wagenkette an die Stange knebeln, die Kopfkette der Äußeren an das Joch der Handkuh anbringen und die Strangen am Ortscheit befestigen. Die Kinder mussten nur aufpassen, weil sie meist barfuss waren, nicht auf die Zehen getreten, an die Wand oder den Türstock gedrückt zu werden. Wer das alles einmal in seinem Leben gelernt hatte, konnte es nie vergessen.

Gut geführte Kühe reagierten auf den langen Strick, dem Leitstrick, der an der Kopfkette der Leitkuh endete. Der Bauer saß auf dem Sitzbrett am Wagen. Zupfen bedeutete hierzulande HIG, das hieß rechts gehen, leicht und lang anhaltend Ziehen signalisierte AESS, was links gehen hieß. JÜA hieß einfach losgehen. Starkes Am-Strick-Ziehen und ÖHA Sagen brachte das Gespann zum Stehen. Die äußere, die rechts gehende Kuh, orientierte sich an der Leitkuh, sie war ja mit einer Kopfkette an deren Joch angekettet. Nach einer gewissen Lehrzeit konnte auch diese als Leitkuh verwendet werden.

Die Wagen wurden vom Wagner meist aus Birken- und Eschenholz gebaut und vom Schmied mit Beschlägen versehen. Die Teile: Räder, Achse, Reibscheit, Plattform, Wagenstange, Lamwei, Kipfen (Eschenholz), Schwebestangen (Fichten- oder Föhrenholz), Wagenbretter (Föhre), geflochtener Wagenweidenkorb, aufgesetzte Huat. Der leicht umzubauende verlängerte Leiterwagen war für Heu- und Getreidefuhrwerke geeignet. Die Leitern (Birkenbäume und Eschensprossen), die sich auf die Leitschen (Birnenholz) stützten und das Wagenbrett (Fichte, Föhre) gaben die Länge vor.

Zur Ausrüstung eines Wagens gehörten je nach Bedarf Schleuderketten, ein Heuseil, ein Wiesbaum, Schwebekettchen und ein Paar Maulkörbe aus Hanf oder Draht geflochten. Kumpf und Wetzstein hingen an einer Kipfe.

Im allgemeinen konnte eine Familie mit drei Kühen, einer Kalbin, einem Kalb, 15 Hühnern,
5 Schweinen und rund 5 ha Bodenfläche samt einem ha Wald, schon auskommen. Geräte wurden zum Großteil selbst hergestellt, Wagner, Schmied, Schneider, Schuster, Sattler und Tischler machten das Leben schöner. Eingekauft wurde selten, lediglich Zucker, Salz und Bekleidung.
Wesentlich eleganter vollzog sich das Fahren mit einem Pferdegespann. Die Wagen mussten etwas stärker gebaut sein, die Herstellung eines Pferdegeschirres war ganz dem Sattler überlassen. Ein Kummet bestand aus zwei Teilen, dem Polsterkissen und dem schmucken Aufsatz, der einen Holzrahmen hatte, auf dem die Beschläge sehr zierreich angebracht waren. Buntes Leder und glänzendes Messing wurde dazu verwendet. Hier wurde das Ledergeschirr eingehakt, das mit einem Hanfstrang und einem Eisenring am Ortscheit (Drittel) aufhörte. Die Kraft der Zugtiere wurde von den zwei Ortscheiten über eine Waage an den Wagen übertragen. Wagenstange, Wagennagel und Reibscheit waren durch schmiedeeiserne Beschläge streng miteinander verbunden. Ketten, Lederriemen, Zaumzeug und Strangen mussten genauest bemessen sein, um den Wagen kontrolliert steuern, ziehen und bremsen zu können. Gesteuert wurden die Pferde mit langen Lederriemen. Der Befehl JÜA setzte das Fahrzeug in Bewegung, HÜH bedeutete links, HOT wurde als rechts verstanden und ÖHA oder BRR hielt den Wagen an. Ein Schnalzen mit der Zunge oder ein Kusslaut beschleunigte das Gespann, das Sausen der Peitsche durch die Luft mobilisierte letzte Kräfte. Wirklich zugeschlagen wurde kaum, das Zeigen der Peitsche genügte zum Antreiben.

Pferdefuhrwerke waren flott unterwegs, mitunter auch im Trab. Den Galopp versuchten die Kutscher meist zu verhindern, da in dieser Geschwindigkeit die Pferde leicht außer Kontrolle gerieten. Die sportlich gefederten Kaleschen erlaubten ein schnelles Fahren. Rinderfuhrwerke bewegten sich gemächlicher. Lediglich bei einem herannahendem Gewitter versuchte man leicht anzutraben. Gepflegt wurden sowohl Rinder als auch Pferde mit Striegel und Bürste.

Peter Sattler
 

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Burgenlaendische Gemeinschaft 4-6 2011 Nr.418 Zeitungsarchiv