Lebet glücklich, lebet froh
 

Lange Jahre lebe ich in England und heute bin ich Gast bei einer englischen Hochzeit, wo es ganz „fein“ zugeht. Die Frauen in einer Auswahl von farbenfrohen Hüten und die Männer tragen Fracks und Zylinderhüte. Wir sind zum Hochzeitsmahl in ein Hotel geladen. Während der Beistand seine Rede mit Erinnerungen seiner Freundschaft mit dem Ehepaar beginnt, wandern meine Gedanken in eine andere Welt. Ich höre die Klänge von Wörtherbergs Musikkapelle bei einer Hochzeit im Gasthaus Pieber.

Braut und Bräutigam und Hochzeitsgäste finden ihren Platz auf den Holzbänken und es ist schon recht lustig im Gasthaus Pieber. Bevor das Essen aufgetragen wird, kommt die Köchin in den Saal, stolpert mit Absicht und lässt die Suppenschüssel fallen - Scherben bringen Glück! Die Nudelsuppe ist heiss und wärmt uns auf. Und schon füllen sich die Teller mit Semmelkren und Rindfleisch und der Wirt füllt eifrig unsere Gläser mit Wein. Die Braut im weissen Kleid ist jung und fesch und sie trägt seidene Schuhe und ihr Gesicht glüht vor Freude und vom Wein. Auch der Bräutigam ist „fesch beinand“ und trägt ein Sträusserl auf seinem schwarzen Anzug.
Der Saal ist trunken mit Musik, Fröhlichsein und Rauch. Der Tanzboden ist mit Federweiß bestreut und bald beginnt es mit dem „Brautaustanzen“. Jeder Gast tanzt ein paar Dreher mit der Braut; zuerst die Eltern und Geschwister, die Verwandtschaft und anschließend alle geladenen Gäste. Die Braut muss trotz vieler Schritte auf ihre Zehen bei guter Laune bleiben und zu Beginn ermuntert man sie mit Zurufen „ist die Braut jung und frisch, kommt sie übern Tisch; ist sie alt und krank, geht sie um die Bank“.

Die weißen Seidenschuhe sind schon grau vom Staub des Tanzbodens und in meiner fast noch kindlichen Unschuld denke ich, wird sie nicht müde sein für die Hochzeitsnacht und was ist das überhaupt mit der Hochzeitsnacht ... es ist mitten im Winter und ich kann nur daran denken, wie kalt mein Bett zu Hause ist. Ein jeder Gast wirft Geld in einen Hut oder in ein Körberl. Die Musikkapelle spielt den Brautwalzer; Braut und Bräutigam tanzen das „Kranzerl aus“. Am Ende dieses Tanzes nimmt die Mutter das Kranzerl von ihrer Tochter; die Braut verliert ihr Gesteck der Unschuld; nicht mehr „un“ sondern „schuldig“. Warum schuldig? Sie zieht auch ihr weißes Kleid aus und nach so viel Tanzen wird noch einmal gegessen; Schweinsbraten und Schnitzerl und Backhendl und Kartoffelsalat.

Und es muss auch noch Appetit für die Hochzeitstorte bleiben. Wochenlang vor der Hochzeit haben viele Frauen im Dorf Torten und köstliche Mehlspeisen gebacken und am Hochzeitstag stehen alle diese Kunstwerke auf langen Tafeln im Gasthaus zur Schau und die Dorfleute gehen hin und besichtigen und begutachten. Ist man nicht zur Hochzeit geladen, muss man sich einfach mit dem Anschauen begnügen, obwohl vielleicht am nächsten Tag Stanitzerl übrig gebliebener Köstlichkeiten an Nachbarn und Bekannte verteilt werden.

Der Hochzeitstag beginnt schon früh am Tag. Bereits vor Sonnenaufgang hört man „Böller-Schüsse“; das Dorf weiß, dass es heute eine Hochzeit gibt. In Begleitung von Musikkapelle, Brautführer und Beistand kommt der Bräutigam die Braut von ihrem Elternhaus abholen. Hochzeitsgäste versammeln sich vor dem Haus der Braut. Das Tor ist versperrt und der Bräutigam bittet um Einlass und als ersten Versuch schickt man eine alte Frau vor die Tür. Eine jüngere Frau in der Verwandtschaft kommt als zweites Angebot. Inzwischen wird viel geschossen und die Familie verteilt Mehlspeise und Wein unter den Zuschauern und Zuckerl für die Kinder. Die Musikanten spielen ein Ständchen und allmählich wagt es die Braut am Arm des Brautführers vors Haus und schon begegnen sie der ersten Hürde auf ihrem Weg in die Ehe. Ein Tischerl in der Mitte des Weges und eine Schnur über den Weg. Ein paar Kinder sagen schöne Sprüche und bieten dem Paar ein Glas Wein und hoffen, dass alle Gäste Geld in den Teller legen. Ist der Bräutigam ein „Fremder“ wird immer mehr Geld erwartet.

Im Gasthaus Pieber, Hochzeit und Tanzen nahen sich dem Ende. Der Raum füllt sich mit frühem Licht und der Alltag klopft an die Tür.

Hier in England, als all diese Erinnerungen von einer anderen Welt, Zeit und Sitten durch meine Seele wandern, geht der Tag auch zu Ende, ohne Musik, ohne zerschmetterte Suppenschüsseln. Das neue Ehepaar reist noch am selben Tag in die Flitterwochen. Vor dem Hotel wartet ein Auto, an deren Stoßstange man so allerhand befestigt hat. Ich höre dieses Allerlei kaum, in meinen Ohren klingt der Brautwalzer vom Gasthaus Pieber.

Annemarie Fugger, London

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Burgenlaendische Gemeinschaft  1-3 2008 Nr.405 Zeitungsarchiv